Alexander Flores, Säkularismus und Islam in Ägypten. Die Debatte der 1980er Jahre

Alexander Flores, Säkularismus und Islam in Ägypten. Die Debatte der 1980er Jahre, Berlin: LIT, 2012 = Studien zur Zeitgeschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas Bd. 17; ISBN 978.3.63.11513-3

Das Buch ist die Veröffentlichung einer Habilitationsschrift aus dem Frühjahr 1993. Das Manuskript wurde zuvor überarbeitet, aber der Inhalt wurde nicht auf den neuesten Stand gebracht (7).

Nach einem Vorwort entfaltet der Autor in der Einleitung das Problem anhand der Grundfrage: „Kann man heute die verbindliche Regulierung aller Lebensbereiche aus dem Islam gewinnen?“ Es geht um die Frage, ob und wenn ja wie viel Säkularisierung der Islam zulässt. Es folgt eine Beschreibung der Begriffe Säkularisierung und Säkularismus im Islam. In einer Rückschau auf das Verhältnis von Religion und Politik in der islamischen Geschichte zeigt er die tatsächliche Trennung der beiden Bereiche auf (14-22). Ein besonderes Augenmerk gilt den Säkularisierungsvorgängen im modernen Ägypten (22-27) und der frühen Debatte um den Säkularismus zwischen Faraḥ Anṭūn und Muḥammad Abduh. Die Säkularisierungthese von Anṭūn wird dabei kritisch in ihrer Auseinandersetzung mit der Gegenposition von Abduh erläutert (27-35). Auf den folgenden Seiten formuliert er einige grundlegende Einsichten: Seit den 1970er Jahre gibt es eine Krise in den arabischen Ländern, in der weite Teile der Bevölkerung mit der Situation unzufrieden sind. Am lautstärksten klagen die Kräfte des politischen Islam (36). Dieser formulierte den integralistischen Anspruch neu mit Hilfe neuer Konzepte wie die Gottesherrschaft, die allein Gott zustehende Souveränität, die Übertragung des Konzeptes der ğāhalīya auf heutige islamische Staaten (37). Die entscheidende Änderung liegt nach Ansicht des Autors in dem neuem Staatsverständnis; statt einem Staat der der Garant der Rahmenbedingung ist, damit die Religion von den Individuen und Institutionen ausgeübt werden kann, ein Staat, der der ganzen Gesellschaft Inhalt und Form der Religionsausübung aufzwingt (38).

Im zweiten Kapitel befasst sich der Autor mit der Herauskristallisierung neuer säkularistischer Positionen in Ägypten (40-163). Er kennt drei Gebiete dieser Herauskristallisierung: 1. der Ausdruck der prinzipiell säkularistischen Haltung, 2. Rechtsfragen, 3. Politik (40). Am Beispiel Fuād Zakarīyā (1927-2010) zeigt den Säkularismus als grundsätzliche Haltung auf (41-73). Zunächst stellt er seinen Ansatz dar (41-45), bevor er sich mit seiner Kritik an Ḥasan Ḥanafī auseinandersetzt. Die zweite wichtige Person, mit der sich Zakarīyā auseinandersetzte war Scheich Qaraḍāwī. Im folgenden Teil (73-109) untersucht er die damalige Diskussion um die Einführung der Scharia. Dabei geht er besonders auf die befürwortenden Positionen von Fahmī Huwaidī (93-102) und Ṭāriq al-Bišrī (102-107) ein. Der dritte Teil des Kapitels behandelt den Säkularismus und die Politik in Ägypten (109-163). Er untersucht die Haltung der verschiedenen politischen Kräfte zum Säkularismus.

Das dritte Kapitel (164-180) wertet die Diskussion systematisch unter verschiedenen Aspekten aus (Positionen, Felder der Auseinandersetzung, Argumentationsweisen, Konvergenzen und Übergänge, Authentizität, Debattenverlauf und Stellenwert des Säkularismus).

Es folgt ein Nachwort aus dem Jahr 2010 (181-182), in dem der Autor noch kurz auf einige Entwicklungen in den 90er Jahren eingeht. Weiterhin folgen im Anhang ein Verzeichnis der Interviewpartner, das Abkürzungsverzeichnis, das Literaturverzeichnis, das Verzeichnis der Zeitungen und Zeitschriften und ein Personenindex.

Es ist bedauerlich, dass der Autor seine Arbeit zwanzig Jahre nach ihrer Erstellung nicht überarbeitet hat. Die Analysen der 80er Jahre sind trotzdem interessant, vor allem weil sie detailliert recherchiert sind. Die oft sehr vertrackten Argumentationsstränge werden ausführlich untersucht. Die Parallelen zur heutigen Auseinandersetzung in Ägypten machen das Buch lesenswert. Was auffällt ist, dass es in der Diskussion der 80er Jahre keine christliche Stimme mit Gewicht gab, obwohl diese von einem säkular ausgerichteten Staat am meisten profitiert hätten.

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